Geschichte aus dem Leben eines Handlungstyps

Die Schatzsucher

Martin, ein kleiner Handlungstyp-Junge, war sehr fasziniert von Regenbögen. In der Schule hatte er schon Einiges darüber erfahren können. Zum Beispiel wusste er, dass ein Regenbogen nur dann entsteht, wenn es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint.

Eines Tages hörte er durch das offenstehende Fenster seines Kinderzimmers ein Gespräch mit. Unten auf der Straße vor dem Haus sprachen die beiden neuen Nachbarskinder darüber, dass am Ende eines Regenbogens ein Schatz vergraben sein soll.
Da streckte Martin seinen Kopf zum Fenster raus und rief laut hinunter:
„ Nein, das stimmt doch gar nicht.“
Die beiden Nachbarskinder schauten erstaunt zu Martin herauf. Zuerst guckten sie sich etwas verdutzt an, dann aber schrien die beiden Neulinge zurück:
„ Woher willst du das denn wissen? Hast du schon mal nachgeschaut?“
Beide grinsten Martin an.
Martin ärgerte sich ein bisschen, prahlte dann aber:
„ Ich weiß, dass das nicht stimmen kann, weil es nämlich gar kein Ende eines Regenbogens gibt. Das gibt es nur im Märchen.“
Damit war das Gespräch für Martin beendet, und er machte sein Fenster zu.

Ein paar Tage später traf er wieder auf die beiden Nachbarskinder, die gerade die Reifen ihrer Fahrräder aufpumpten.
Einer der beiden meinte zu Martin:
„ Bist du wirklich sicher, dass ein Regenbogen kein Ende hat?“
Martin antwortete :
„ Natürlich hat er kein Ende, und einen Schatz gibt es auch nicht. Aber wenn ihr mir nicht glaubt, dann …“
Martin überlegte. Aber die beiden Kinder waren neugierig und fragten ihn gleich:
„ Was dann?“
„ Wenn es das nächste Mal einen Regenbogen gibt, dann machen wir ein Wettrennen mit den Fahrrädern. Wer zuerst am Ende des Regenbogens ist und einen Schatz findet, darf ihn behalten. Wenn ich aber recht habe und es gar keinen Schatz gibt, dann müsst ihr mir den ganzen Sommer mein Fahrrad putzen.“
Die beiden Nachbarskinder waren einverstanden.

Und sie hatten Glück. Am darauffolgenden Samstag hatte es morgens geregnet, und gegen Mittag kam die Sonne hinter den Wolken hervor. Es dauerte auch gar nicht lange, bis tatsächlich ein Regenbogen zu sehen war. Natürlich klingelten die Kinder gleich bei Martin und erinnerten ihn an seinen Vorschlag. Zuerst wollte er aber nicht so recht. Doch nachdem die Kinder darauf drängelten, zog er seine Turnschuhe an, schnappte sich sein Fahrrad und los ging die wilde Fahrt.

Martin war sich zwar sicher, dass er Recht hatte, aber dennoch wollte er der Schnellste mit seinem Rad sein und trat ordentlich in die Pedale.
Am Anfang versuchten die beiden anderen Kinder noch, Martin einzuholen, aber irgendwann war der Anstand so groß, dass sie anhielten.
Martin, der seine Verfolger nicht mehr hinter sich hörte, stoppte, schaute zurück und triumphierte:
„ Sieger!“, schrie er in ihre Richtung.
An den Regenbogen dachte irgendwie keiner mehr.

Stattdessen hatten die beiden Nachbarskinder etwas anderes Spannendes entdeckt und riefen Martin zu:
„ Komm mal her, wir haben was ganz Tolles gefunden.“
Martin zögerte erst, wurde dann aber doch neugierig und ging zurück.
Die beiden Anderen hatten in einem Baum ein großes Loch im Stamm entdeckt und begannen, es zu untersuchen.
„ Das ist bestimmt eine Höhle von einem Tier“, meinte das eine Kind. Das andere vermutete:
„ Da hat vielleicht ein Eichhörnchen etwas drin versteckt.“
Martin sagte:
„ Oder es ist ein Geheimgang, der bis oben in den Baum hinauf geht“, und versuchte, den Baum hinaufzuklettern. Aber alleine gelang es ihm nicht und die beiden anderen halfen ihm. Als Martin ein Stück weiter oben war, versuchte er, die beiden anderen Kinder zu sich hochzuziehen.
Und so kletterten sie den ganzen Nachmittag auf dem Baum herum, schaukelten an den Ästen und hatten eine Menge Spaß miteinander.

Als Martin an diesem Abend todmüde in sein Bett fiel, dachte er mit einem Lächeln im Gesicht an den schönen Tag und war sehr froh. Es war ihm auf einmal ganz egal, ob er der Schnellste mit seinem Rad war oder ob es einen Schatz wirklich gab. Er hatte etwas viel Wertvolleres an diesem Tag gefunden: Freunde!